"Hilfe! Ein Verrückter!" soll eine Dame mittleren Alters ausgerufen haben, als sie aus der Uraufführung von Ravels "Boléro" (1928 in Paris) rannte. Trockene Entgegnung des Komponisten: "Die hat mich verstanden." Ob Anekdote, ob Legende, man kann es beiden nachfühlen, denn tatsächlich wagte Ravel sich weiter vor als je: Er schleust lediglich ein immergleiches Ostinato im Boléro-Rhythmus mit sechzehn Takten Melodie durch alle möglichen Orchester-Klangfarben, steigert dabei die Lautstärke, aber nicht das Tempo, und läßt das alles explosiv enden - sonst könnte es wohl ewig so weitergehen. Diese Art Schlußkatastrophe kehrt bei Ravel immer wieder: Der Liebhaber mechanischen Spielzeugs und raffiniert "mechanisierter" Musik kann seine Maschinchen oft nur noch anhalten, indem er sie in die Luft jagt. Der Komponist selbst dirigierte, in einer antiken Aufnahme mit dem Orchestre Lamoureux, den "Boléro" gnadenlos langsam, noch langsamer als die in der Partitur vorgeschriebenen 72 Viertel/Minute, außerdem stur im Tempo bis Schluß.